Im Alltag passieren so schöne Geschichten - erzählenswert und wunderbar - eben Alltagswunderbarkeiten - meine Lieblingsgeschichten erzähle ich hier in meinem Blog: 

11.07.2020

Die Vasen meiner Mutter

Der Blumenladen meiner Eltern ist genauso alt wie ich – fast 50! Ich hatte damit mal mehr und mal weniger zu tun. Manchmal hab ich ihn gemocht und manchmal auch nicht, ein Blumenladen ist ein echter Familienzeitfresser. In den letzten Jahren habe ich damit meinen Frieden gemacht und darüber mehr und mehr meine eigene Blumen- und Pflan-zenliebe entdeckt. Ich habe angefangen sie auszuleben und bin begeisterte Kleingärtne-rin. Es ist sooo schön, wenn alles grünt und blüht, wächst und duftet und es in den Bee-ten summt und brummt.

Seit fast 30 Jahren unterhält meine Mutter, mit einem tollen Team, den Laden alleine. Ich habe oft gedacht, dass sie dies oder das anders machen könnte und manchmal Vor-schläge gemacht. Immer mal wieder haben sich meine Gedanken darüber an den Blu-menvasen aufgehängt. Aufgereiht in einem Kellerregal warten sie auf ihren Einsatz. Es ist ein buntes Sammelsurium aus verschiedenen Formen, in unterschiedlichen ange-schlagenen Versionen. Einige Designs sind so, dass sie nicht mal als retro durchgehen würden. Wie oft habe ich mir vorgestellt wie schön neue Vasen wären. Ein einheitliches Bild, schlicht und schön, die die Blumen wunderbar zur Geltung bringen. Gesagt habe ich das nie, aber vielleicht in einer leicht überheblichen arroganten Art und Weise innerlich den Kopf geschüttelt und mich gefragt, ob einige schon auf der Eröffnung vor fast 50 Jahren dabei waren.

Und dann kam das Muttertagswochenende 2020. Aufgrund der Pandemie war alles ein bisschen anders. Damit im Geschäft möglichst viel Platz blieb standen die vorbestellten Sträuße, bei glücklicherweise bestem Wetter, vor dem Laden. Mein Job an dem Tag war sie zu verteilen. Schön aufgereiht in orangefarbenes Papier gehüllt warteten sie auf Ihre Abholung. Sie haben gewartet auf Töchter und Söhne, auf Bekannte und Vertraute. Einige wurden vielleicht nur durchs Fenster gereicht oder vor die Tür gelegt, andere direkt übergeben und wieder andere waren für einen stillen Moment auf dem an einem Grab. Es waren Sätze wie „ich brauch nicht gucken, die Sträuße hier sind immer toll“, „was Blumen angeht kennt Deine Mutter meine Mutter besser als ich. Der ist auf jeden Fall perfekt“, „warum sind die so groß, ich wollte doch nur kleine Sträuße, die sind viel zu groß für den Preis und so schön“, „wie immer wunderschön“ und es waren die kleinen Geschichten in den Begegnungen, die sich darum herum rankten. Am Ende standen da all die leeren Vasen abgeschrammt und angeschlagen und weil es so viele Sträuße waren auch noch ein paar Eimer und das war ein so schönes Bild. Die Sträuße waren unterwegs… und einige vielleicht auch schon angekommen.

Weil ich meistens Tränen in den Augen habe, wenn mich etwas berührt, hatte ich sie auch in diesem Moment und mindestens eine ist auch gekullert. Was nützt die schönste Vasenkollektion, wenn man mit dem was darin ist die Menschen nicht erreicht. Jede Schramme eine Geschichte, jede angeschlagene Ecke ein Moment… vielleicht ein Ge-schenk… vielleicht eine aufgeregte Frage… vielleicht ein „Verzeih mir“… oder ein „ich werde Dich nie vergessen“… ein heute mal einfach für mich… ein „ich mag Dich“ oder ein „Ich liebe Dich“…

Jetzt hoffe ich, dass meine Mutter ihre Vasen behält. Sie erzählen so schöne Geschichten und ich habe gelernt, dass man manchmal furchtbar doof ist, wenn man sich unglaublich schlau vorkommt.

Heyka - 14:14:12 @ Alltagswunderbarkeiten | Kommentar hinzufügen

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